Freitag, 29. Juli 2016 - Kurz vor dem Tagesziel "Boizenburg", nach ca. 30km Fahrt durch ehemals innerdeutsches Grenzland und jetzt noch eine Reifenpanne. Es ist Freitag Nachmittag der 29. Juli 2016 und auch bei uns ist "die Luft raus". Unsere beiden Jungs 9 und 5 Jahre - Selbstfahrer auf dem eigenen Rad sind auch fertig. Die 45kg Gepäck und der Anhänger fühlen sich heute an wie 75kg. Die Mama hat unseren Kleinen schon seit 15km im Schlepp - und die spontane Reifenschlappe bei mir ist unser Signal zum Abbruch der Tagestour.
Wir flicken wieder manuell, das Flüssigflickenmittel hat sich nicht bewährt, manuell geflickt - da weiss ich woran ich bin. Unser Grosser mit seinen 9 Jahren "assistiert" mir, baut den Anhänger ab, reicht mir Werkzeug - gut macht er das. Wir haben auch zuhaus geübt. Unter "Laborbedingung" im Keller flickt er schon komplett allein und baut auch das Rad ein und aus.
Kurz darauf, unsere "Karawane" ist wieder flott. Wir sehen rechter Hand eine Einfamilienhaussiedlung über einen Elbe-Seitenarm (Die Sude). In 500 Metern eine Brücke, da biegen wir ab, lass uns einfach fragen ob es da irgendo eine Ferienwohnung oder Pension in der Siedlung gibt. Einfach nur noch ankommen, Pause machen, duschen, was einkaufen und Abendessen - das ist unser einziger Wunsch heute noch. Es war ein schöner aber auch anstrengender Tagestripp vom Ferienhof Meier in Stixe bis Boizenburg.
Auf dem Ortsschild steht "Gothmann" Stadt Boizenburg - wir sind in Sichtweite, ein Vorort also. Da in solchen Siedlungen jeder jeden kennt fragen wir gleich über den Gartezaun nach einer Ferienwohnung oder Pension in Boizenburg oder gleich hier in der Siedlung. Promt erfahren wir dass 200 Meter weiter "alles vorbereitet" ist - hoffentlich können wir auch eine Übernachtung buchen, schliesslich ist Ferienzeit und es wäre nicht das erste mal dass wir weiterziehen müssen.
"Sudewiesen Apartment Bruhn" - ein netter Herr nimmt uns gleich in Empfang, hier spürt man noch, dass Er - der Hausherr mit Leib und Seele bei der Sache ist. Über unser "Fuhrwerk, unsere Karawane" ist er auch etwas überrascht, offenbar sind noch nicht zu viele Radfahrer zu ihm abgebogen. Wo doch seine schöne Ferienwohnung im neuen Wohnhaus höchstens 500 Meter vom Elberadweg entfernt ist? Glück für uns - vertane Chance für die "Vorbeifahrer".
Herr Bruhn sieht es uns offenbar an, denn gleich versteht er was unser Anliegen ist: "Ankommen und einziehen, Pause machen, was essen und duschen und den Kindern etwas Platz verschaffen zum austoben". Sie sind zwar auch "fertig", aber eben auf ihre Kindesweise - und deshalb müssen sie sich nach dem Fahrtag nochmal bewegen, rumtoben, Fussball spielen, Hüner angucken und Eier suchen, mit dem Hund Kontakt aufnehmen und auskundschaften was es sonst noch alles zu entdecken gibt.
Wir schauen uns die Ferienwohnung an und sind uns ziemlich schnell einig. Volltreffer: Schnell eine komfortable Übernachtung gefunden, eine schöne grosse Ferienwohnung, alles neu gebaut und stilvoll eingerichtet. Mit separatem Seitenzugang, Dachterasse und Fahrradgarage, der nötigen Privatsphäre aber auch genug Nähe wenn es mal "Fragen-Wünsche-Anträge" an Herrn Bruhn - den Betreiber und Hausherren des Sudewiesen Apartment in Boizenburg - gibt.
Samstag Vormittag - leicht verregnet - Auszeit ist für uns angesagt: Ein Tag frei machen und die spontane Besprechung mit dem Hausherren, dass wir gern verlängern und noch bleiben würden. Meine Muskelzerrung in der linken Schulter fordert ihren Tribut. Seit 5 Tagen fahre ich mit halber Kraft und "halblahmen" Arm - bischen verrückt bin ich schon, aber der Urlaub war eben geplant und alle haben sich drauf gefreut. Was tut man nicht alles für die Rasselbande und deshalb werden wir heute nur die Altstadt von Boizenburg anschauen, die Kirche, den Hafen und die alte stillgelegte Werft, und unseren täglichen obligatorischen Selbstversorger-Einkauf machen.
Am Abend überkommt uns nochmal das Gefühl dass wir das Wochenende hier bleiben sollten und frei machen. So werden dann aus einer geplanten Übernachtung vom Freitag zum Samstag schlussendlich Drei. Regenwetter holt uns ein, und unsere freiwillige Verlängerung - das Ausruhwochenende tut uns allen gut, unsere Akkus waren ganz schön runtergefahren. Die spontane Verlängerung erfordert einen Umzug in die andere Ferienwohnung, da Herr Bruhn bereits Nachmieter gebucht hatte. Ja flexibel und lösungsorientiert ist er auch noch, unser Vermieter.
Es ist Sonntag und Reisefieber stellt sich wieder ein: Ein merkwürdigerweise Gefühl, gepaart mit Heimfahrambitionen - macht sich bemerkbar, kommt langsam "angekrochen". Immer wieder eine merkliche, eine spürbare Gefühlswandlung dieses Reisefieber. Im heimischen Alltag ist davon nichts zu bemerken, aber hier in und auf dem Radweg werden solche Gefühlslagen plötzliche spürbar, erlebbar. Aber wir bleiben noch, heute ist Sonntag - Ruhetag, heute wird nur noch "fakultativ um den Kirchturm geradelt". Das Natur-Freibad werden wir uns heute anschauen, mal sehen ob sich noch Badehosenwetter einstellt. Morgen wird es aber weitergehen.
Montag - Boizenburg Abfahrt: Unser heutiges Tagesziel: über Lauenburg, Artlenburg nach Tespe. Unser "Fuhrpark" ist starklar - 11.30 Uhr ist Abfahrt, etwas spät zwar aber wir sind schliesslich nicht auf der Flucht.
Einen Dank für die schönen Tage in und um Boizenburg und die spontane Gastgeberschaft an Familie Bruhn sagen Lian & Luc, Conny & Ingolf aus Leipzig.
Epilog Fernweh
... dieses ratslose reintreten in die Pedalen, Freiheit auf dem Radweg, Wind und Wetter um die Ohren. Dieses Gefühl von Unabhängigkeit, du trittst in die Pedale, ohne Motor, ohne Tanken, ohne Versicherungspolice, ohne Wohnungsschlüssel, einfach Frau und Kinder "einpacken" und los - Freistil - losfahren und nicht wissen was im Laufe des Tages alles kommt, wen du unterwegs triffst, wo du abends übernachtest, nur den groben Tourplan - und sonst? nur Improvisation - das ist der Tagesablauf.
Das entspannt ungemein, das erleichtert von den alltäglichen "Verpflichtungen und Planungen", ohne abends "abrechnen" zu müssen, einfach alles annehmen wie es kommt und das Beste daraus machen. Das ist und war wieder unser Motto - im dritten Jahr unserer Elberadweg-Entdeckertour.
Im ersten Jahr 2014 sind wir gefahren von Schmilka an der tchechischen Grenze bis Riesa (Lian 7 ist selbst gefahren - Luc 3 bei der Mama im Fahrradsitz mitgefahren). Im zweiten Jahr 2015 - Riesa bis Wittenberge, bin ich allein gefahren - meine "Challenge" mit 35kg Gepäck und Campingausrüstung auf dem Rad fürs Streckenübernachten ohne "Luxusherberge". Die 3. Etappe in 2016 ging wieder in Familie von Wittenberge bis Artlenburg. Lian nun schon 9 und Luc 5 Jahre, beide sind selbst gefahren - was haben wir für tolle Kinder, was hab ich für eine tolle Frau die sowas mitmacht.